veröffentlicht am 29. September 2019

„Auf Zeitreise durch 850 Jahre Melle“ – so lautete der Titel der Stadtführung, auf die uns Bernd Meyer am Samstag, dem 28. September, mitnahm. Ausgangspunkt war der Rathausvorplatz. Hier erfuhr unser Familienkreis zunächst etwas von der Gründung Melles vor mehr als 1000 Jahren, der ersten urkundlichen Erwähnung („Graingau“ – „menele/menelo“) und dem Wachsen des zarten Pflänzchens. Heute ist Melle ca. 21 km lang und 20 km breit (8 Ortsteile) und ist damit flächenmäßig die drittgrößte Stadt Niedersachsens. Nach diesem kleinen geschichtlichen Überblick ging es auf Entdeckungstour. Einen ersten Halt gab es am „Mädchendenkmal“ auf dem Kohlbrink. Die aus Aluminium bestehende Plastik erinnert an Therese Unnerstall, die 1924 in Melle geboren wurde und im Zweiten Weltkrieg ein schweres Verschüttungstrauma erlitt. Sie stehe beispielhaft für ungezählte Einzelschicksale aus dieser Generation, so hat es der Künstler Peter Müller formuliert. Ein „Aha-Erlebnis“ der besonderen Art erfuhr unser Stadtführer selbst anschließend beim Stopp an der St. Matthäus-Kirche. Nachdem er sich zu den Besonderheiten des Baus geäußert hatte, wurde er auf ein zugemauertes Fenster hingewiesen, das ihm, nach eigenen Aussage, noch nie aufgefallen sei und auf das ihn auch noch niemand bei einer Stadtführung hingewiesen habe. Wie gut, dass unser Klaus landauf, landab Mauer- und Steinwerke mit Argusaugen beobachtet. Zurück zur Kirche: Das erste Patrozinium der Meller Kirche lautete vermutlich auf den Hl. Petrus. Eine steinerne Figur, ein Petruskopf mit Heiligenschein, aus dem 11. Jahrhundert war lange Zeit an der Sakristeimauer angebracht (der Schutzstein ist noch erkennbar) und soll sich heute im Diözesanmuseum in Osnabrück befinden. Bernd Meyer wartet schon gespannt auf die Rückmeldung, die in Kürze erfolgen soll.

Nach einem Blick in den angrenzenden Neubau der katholischen Kirche mit dem prägnanten Zeltdach ging unsere Tour weiter durch den „Klapperhagen“, von dem unser Heimathistorikers meint, dass der Name auf „Klappe“ im Sinne von Tür oder Tor zurückzuführen ist, die am Ende des Kirchhofs zu finden gewesen sei. Weiter ging‘s zum ältesten Haus Melles, der Alten Posthalterei aus dem Jahr 1644. Hier erfuhren wir in kurzweiligem Plauderton einiges von der wechselvollen Geschichte des Hauses, das heute – umfassend saniert – für kostenlose Ausstellungen, Vorträge, Seminare, Lesungen und kleine Konzerte genutzt wird. Im weiteren Verlauf der Stadtführung öffnete uns Bernd Meyer einen jahrhundertealten Keller mit Gewölbe, der früher wohl auch als private Kapelle genutzt worden war. Unglücklich besonders für die Bewohner in den oberen Stockwerken, dass der Schutzschalter bei der Besichtigung raussprang und für Dunkelheit sorgte.
Vorbei an den Buden des Herbstmarktes ging es anschließend zur St. Petri-Kirche. Hier erfuhren wir, warum es nach dem Dreißigjährigen Krieg zum Neubau des evangelischen Gotteshauses gekommen war, nachdem die Minderheit der Katholiken die große Matthäuskirche zugesprochen bekommen hatte und dass es lange Jahre ein Schallschutzhaus gegeben hat, um die Gläubigen akustisch zu trennen.

Das Adelshaus „Haus vor Melle“ war unser nächstes Ziel. Hier hatte Jenny von Voigts gelebt, Tochter des Osnabrücker Staatsmannes und Schriftstellers Justus Möser und Freundschaften zu berühmten Zeitgenossen (u.a. Johann Wolfgang von Goethe) gepflegt. Sehr zu unserer Freude öffnete sich gegenüber eine Tür und das Ehepaar Gabriele und Klaus Schneider verwöhnte uns mit einem Gläschen Kräuterlikör. So gestärkt fiel es uns nicht schwer, den Rundgang fortzusetzen. Vorbei am gepflegten Kurgarten ging es zu den markanten Gebäuden des Schleifmittelherstellers Starcke mit dem prägnanten Torgbogenhaus. Hier war auch noch die frühere Form des Meller Stadtwappens zu entdecken, dass die Nazis verboten hatten, weil das stehende Rad mit einem Kreuz verwechselt werden konnte. Die Bronzefiguren „Pinsel und Think“ und das „Spielmal“ im Starcke-Carree waren weitere Kunstobjekte, auf die wir auf unserer Tour hingewiesen wurden.
Danach war – nach zwei Stunden und leicht durchgefroren (es war schon recht windig) – unser Ausgangspunkt wieder erreicht. Mit einem Dank für die kurzweilige Stadttour verabschiedeten wir uns von Bernd Meyer und kehrten in den Stuben des Kartoffelhauses ein, wo wir mit einem wärmenden, hauseigenen Schnaps empfangen wurden. Bei leckeren Gerichten und Getränken saßen wir noch eine ganze Weile zusammen, klönten und lauschten den Klängen der Bands, die das Stadtfest bereicherten.
Ein Dank an Martina und Rainer für die Vorbereitung dieser KAB-Veranstaltung. Und dass ihr sogar extra dafür gesorgt habt, dass ein Bild mit „Führern und Kämpfern für die Rechte der heiligen katholische Kirche“ (u.a. Windthorst u. Bischof Ketteler) an unserem Platz hing ;-), war die Krönung des Abends.

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