veröffentlicht am 12. Januar 2018

Quietschende Bremsen, grell aufleuchtende Scheinwerfer – der Auftritt von Jan Christof Scheibe im Gasthaus Barlag am 12.01.2018 begann direkt mit einer heiklen Situation. Unter Einsatz seines Lebens war der Kabarettist zum Bahnhof geeilt, um den Zug nach Osnabrück noch zu erwischen, und dann war es auch schon passiert: Ein Moment der Unachtsamkeit – schuld war ein wohlgeformter Popo auf der gegenüberliegenden Straßenseite – und die rote Ampel war übersehen. So lief Scheibe also auf die Straße, direkt vor das herannahende Werbeauto. Ogoddogott!

Die Zuschauerinnen und Zuschauer des 8. KirchenKABaretts der Hollager KAB (wie fast immer war auch in diesem Jahr der Saal ausverkauft) verfolgten, wie die Zeit eine Sekunde bevor es zum Aufprall kommen sollte angehalten wurde und Jan Christof Scheibe sich im „hyperkonfessionellen Warteraum“ wiederfand, einer Zwischenwelt, auch „Schrödingers Welt“ genannt. Wer hier ist, weiß nicht, ob er noch lebt oder schon tot ist. Nun musste eine Entscheidung gefällt werden.
Erst einmal aber war viel Zeit, sich mit seinem Glauben (und dem anderer Leute) auseinanderzusetzen, was Scheibe auch ausgiebig tat. Er selbst sei Protestant, erklärte er, aber eher „Protestant im Ruhestand“ – Kirchensteuer zahlend, aber schon länger nicht mehr in der Kirche gewesen. Aber jetzt, so im Angesicht des Todes, war es vielleicht doch wieder an der Zeit, mit Gott in Kontakt zu treten. Gar nicht so leicht …
Mit Freude verfolgte das Publikum die verschiedenen, abwechslungsreichen Wege, die ihn zu seinem Ziel führen sollten – auch wenn er sich gar nicht so sicher war, was jetzt eigentlich sein Ziel sein sollte. So versuchte er es mit einem Besuch in der Kirche, wo ihm zunächst die geringe Zahl der Anwesenden auffiel. (Aber das war ja vielleicht auch ganz gut, gebe es so doch rechnerisch mehr Segen pro Nase.) Bezüglich des kirchlichen Liedguts allerdings könnte er sich noch die ein oder andere Veränderung vorstellen, um die verschiedenen Gruppen der Gesellschaft besser abholen und integrieren zu können. Auch über das Vaterunser oder das Lesen in der Bibel probierte er – leider nicht von großem Erfolg gekrönt – Gott näher zu kommen.
Zwischendurch stand aber auch immer wieder die Frage im Raum, ob seine Religion bzw. Konfession denn überhaupt die beste sei, oder ob schnell noch eine Konversion anzustreben sei. Unterhaltsam wägte Scheibe die Vor- und Nachteile der großen Weltreligionen ab: Als indischer Guru sprach und sang über die Vorzüge der Wiedergeburt, wie sie im Buddhismus geglaubt wird, und verglich dieses Konzept der Weltdeutung mit einem Feinkostrestaurant. Auch der Islam war Gegenstand seiner Überlegungen, unter anderem das Konzept der Verschleierung. Er stellte fest, dass der Koran – im Übrigen anders als die Bibel! – nicht explizit davon spricht, dass Frauen ihr Haupt verschleiern sollen. Und er stellte sich die Frage, ob nicht auch Männer ihr Haar bedecken sollten, um die Frauen in ihrer Umgebung nicht unnötig abzulenken (das gilt insbesondere für Frank in der zweiten Reihe!).
Neben den großen Weltreligionen wurden auch kleinere „Glaubensrichtungen“ auf die Bühne gebracht. So bemerkte der Kabarettist, dass christliche „Fangesänge“ in Art und Inhalt durchaus gewisse Ähnlichkeiten zu Gesängen und Rufen von Fußballfans aufweisen (schließlich erzählt z.B. auch der Ruf „Deutscher Meister HSV“ vom Glauben an ein Wunder). In Erinnerung bleibt sicherlich auch Scheibes gelungene Darstellung von „Arne, dem Schamanen“, der Warzen besprechen und die farbenfrohe Aura von Menschen sehen kann, und schwungvoll mit seinem Regenmacher über die Bühne tanzte.

Wie der Zwischenfall an der roten Ampel am Ende ausgegangen ist, ob Scheibe den „hyperkonfessionellen Warteraum“ wieder verlassen durfte, ob er zuvor noch konvertiert ist und wo er letztlich landete, wollen wir an dieser Stelle nicht verraten. Wer neugierig geworden ist, sei auf das Ende März erscheinende Buch zur Show verwiesen – Jan Christof Scheibe freut sich über viele Käufer.

[Einen weiteren Bericht zum diesjährigen KABarett bietet auch die Neue Osnabrücker Zeitung.]


(weitere Fotos folgen in den nächsten Tagen)

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