Auch in diesem Jahr waren wir am Karfreitag (25.3.) wieder an einem Ort, der gut zum Karfreitagsgeschehen passt. So haben wir mit einigen Mitgliedern unseres Familienkreises die 2011 eröffnete Gedenkstätte in Esterwegen besucht.
Zunächst gab uns Herr Fietje Ausländer eine umfassende Einführung zu den Emslandlagern, die der NS-Staat zwischen 1933 und 1945 unterhielt, insbesondere zum ehemaligen Konzentrations- und Strafgefangenenlager in Esterwegen selbst, das – mit Stacheldrahtverhauen gesichert – zur Hölle am Waldesrand wurde. Es diente zunächst als Konzentrationslager für politische Häftlinge, Andersdenkende und Widerstandkämpfer. Die Gefangenen hatte schwere Zwangsarbeit in der Moorkultivierung zu leisten. Zu den bekanntesten Häftlingen gehörten Carl von Ossietzky, der SPD-Politiker Julius Leber und der spätere niedersächsische Ministerpräsident Georg Diederichs (ebenfalls SPD).
Nach der Auflösung als KZ 1936 wurde Esterwegen ein Strafgefangenenlager – eines von insgesamt 15 Lagern im Emsland. Bis 1945 waren dort mehr als 200.000 Menschen eingesperrt, davon etwa 80.000 KZ-Häftlinge und Strafgefangene sowie mehr als 100.000 ausländische, vor allem sowjetische Kriegsgefangene. Mehr als 20.000 Menschen verhungerten, starben an Erschöpfung und Krankheiten, als Folge körperlicher Misshandlungen oder wurden „auf der Flucht“ erschossen.
„Wohin auch das Auge blicket Moor und Heide nur ringsum…; auf und nieder gehn die Posten, keiner, keiner kann hindurch. Flucht wird nur das Leben kosten, vierfach ist umzäunt die Burg. Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor“ – vielen ist dieses 1933 in Börgermoor geschriebene Lied bekannt.
Im Anschluss an den Vortrag hatten wir dann Gelegenheit, die Ausstellung in den ehemaligen Bundeswehrgebäuden zu besichtigen. Chronologisch ist das Geschehen dokumentiert; im Mittelpunkt stehen die Erfahrungen der Häftlinge bei der Arbeit im Moor sowie ihr Leben und Leiden in den Lagern.
Aufgrund des regnerischen Wetters nahmen wir das Außengelände abschließend nur kurz in Augenschein. Hier bestimmen Baumpakete, Lavaschotter und Cortenstahl die Gestaltung und lassen Lagermauer und Wachtürme, die verschiedenen Areale für Wachmannschaften und Gefangene, die Orte früheren Baracken und die Hauptstraße erkennen und erfahrbar machen.
Mit einem kleinen Hinweis auf die Nutzung des Lagers nach seiner Befreiung 1945 (britisches Internierungslager für Funktionsträger der NS-Zeit, Strafanstalt, Flüchtlingsdurchgangslager und Lager für Heimatvertriebene, Bundeswehrgelände) endete ein bewegender Vormittag, wenngleich wir als Außenstehende die tatsächlichen Leiden der Lagerinsassen an diesem Ort kaum nachempfinden können.
All unsere Eindrücke und das menschenverachtende Geschehen im KZ und Gefangenenlager in Esterwegen brachten wir dann in einer Andacht im angrenzenden Kloster (ein Konvent Mauritzer Schwestern unterhält hier ein kleines geistliches Zentrum) vor Gott. Konkret geht es um Erinnerung des Vergangenen, die Vergegenwärtigung des Unsäglichen und um Verwandlung in Zukunft – Gedanken, die auch in unserer Karfreitagsliturgie zum Ausdruck gebracht wurden. So haben wir an das Leiden und Sterben unseres Herrn und Heilands Jesus Christus gedacht, aber auch an das Leid, das Menschen über Menschen gebracht haben und bis heute bringen. Der Gott, an den wir glauben, ignoriert diese Wunden nicht, nein, er trägt sie selbst, und er hat die Kraft, sie zu verwandeln. Das Kreuz am Karfreitag sagt uns:
Gott ist uns auch im Leiden nahe und er ist den Leidenden nahe. Hoffnung, die trägt.
Mit einem abschließenden gemeinsamen Essen endete unser Besuch in Esterwegen.